Herzratenvariabilität - Warum dein Herz nicht gleichmäßig schlagen sollte

Schon Wenig Shu-he, ein chinesischer Arzt im 3. Jh. n. Chr. sagte: 

 

"Wenn der Herzschlag so regelmäßig wie das Klopfen des Spechtes oder das Tröpfeln des Regens auf dem Dach wird, wird der Patient innerhalb von vier Tagen sterben."

 

Ein gesundes Herz schlägt nicht wie ein Metronom im festen Takt, sondern unterliegt ganz natürlichen, minimalen Unterschieden in jedem Schlag. Denn unser Körper ist in der Lage jeden Herzschlag zu steuern, damit das Blut in jeder Situation, jede Zelle optimal mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen kann.

 

Diese Steuerungsfähigkeit ist entscheidend, um sich an Belastungen anpassen zu können und um gesund zu bleiben.

 

Was sagt die Herzratenvariabilität aus?

 

Die Herzfrequenz (Hf) und die Herzratenvariabilität (HRV) geben Aufschluss darüber, wie es um die Herzkreislauf-Leistung und dessen Anpassungsfähigkeit bestellt ist. Dabei gibt die Hf die Herzschläge pro Minute an und die HRV beschreibt den Zeitabstand zwischen zwei einzelnen Schlägen. Im EKG wird dieser Schlagimpuls als höchster Ausschlag (= R-Zacke) angezeigt. Der Abstand zwischen zwei R-Zacken wird auch RR Intervall genannt.

 

HF und HRV werden über das autonome Nervensystem, mit seinen beiden Anteilen dem Sympathikus und dem Parasympathikus gesteuert.  Sie diktieren dem Herzen über elektrische Impulse am Sinusknoten, wie schnell oder langsam es zu schlagen hat. Diese Signale bekommt der Sinusknoten rund um die Uhr vom Nervensystem, wobei der Sympathikus Signale zum schnelleren (wirkt aktivierend) und der Parasympathikus Signale zum langsameren Schlagen (wirkt hemmend) gibt.

 

Unter Ruhebedingungen und bei geringer Belastung überwiegt die Aktivität des Parasympathikus (mit dem Vagus als Hauptnerv), was zu einer niedrigen Hf und größeren Abständen (im Millisekundenbereich) zwischen den Herzschlägen führt. Ist der Körper gesund und steht nicht unter Dauerstress, kann das Nervensystem die Herzfrequenz problemlos an Anforderungen anpassen und die HRV ist hoch. Dieser Zustand wird auch Herzkohärenz genannt.

 

 

 

Unter Belastungen (zB Sport, Stress oder Krankheit) dominiert der Sympathikus, welcher als Reaktion auf einen Reiz die Stressachsen hochfährt und u.a. den Herzschlag beschleunigt. Der Rhythmus des Herzens wird damit starrer, wodurch die HRV und damit auch die Flexibilität des Organismus sinken. 

 

 

Variable Herzfrequenz, die RR Intervalle haben unterschiedliche Längen (Quelle: S2k-Leitlinie : Nutzung der Herzschlagfrequenz und der Herzfrequenzvariabilität in der Arbeitsmedizin und Arbeitswissenschaft)
Variable Herzfrequenz, die RR Intervalle haben unterschiedliche Längen (Quelle: S2k-Leitlinie : Nutzung der Herzschlagfrequenz und der Herzfrequenzvariabilität in der Arbeitsmedizin und Arbeitswissenschaft)

Hier kommt nun das Verhältnis beider Anteile zueinander ins Spiel: eine kurzfristige Verringerung der HRV aufgrund sportlicher Belastung ist kein Problem, denn dein Körper kehrt danach ja wieder zum Normalzustand zurück. Dadurch verbessert Sport sogar langfristig die HRV, da dein Herz trainiert wird, sich besser an die Belastungen anzupassen und wieder schnellmöglich zum Gleichgewicht zurückzufinden.

 

 

"Es ist weder die stärkste, noch die intelligenteste Spezies die überlebt, sondern diejenige,

die in der Lage ist, sich an wechselnde Situationen bestmöglich anzupassen."

 

Charles Darwin

Erst die langfristige Sympathikusaktivierung ohne Ausgleich führt zu Problemen, denn dein Körper ist dauerhaft im Alarmzustand. Deine HRV ist dann durchgehend niedrig und du damit weniger belastbar. Das verbraucht enorm viel Energie und Nährstoffe, fördert Zellstress, Alterung, Hormondysbalancen und die Entstehung von Krankheiten.

 

Eine geringe HRV steht in Zusammenhang mit: 

 

  • Schwierigkeiten in der Emotionsregulation und Entscheidungsfindung 
  • Geringe Belastungsgrenze und niedrige Stresstoleranz 
  • Schlechte Anpassungsfähigkeit an Stressoren 
  • Bluthochdruck
  • Depressionen, Angststörungen, Burnout 
  • Innere Unruhe 
  • Kurzatmigkeit
  • Schlafstörungen 
  • Chronische Müdigkeit
  • Diabetes 
  • Übergewicht 
  • Verdauungsstörungen 
  • Magenschmerzen 
  • Immunschwäche
  • Chronische Entzündungen 
  • Chronische Nierenerkrankungen 
  • Rheuma
  • Allergien 
  • Hautprobleme 
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen
  • Plötzlicher Herztod, Schlaganfall, Herzinfarkt 
  • Krebs
  • Erektile Dysfunktion 
  • Menstruations- und Wechseljahresbeschwerden
  • Migräne
  • Tinitus
  • Chronische Schmerzen

 

Entspannung ist aber nichts für mich!

Kennst du diese Menschen (oder gehörst vielleicht auch selbst zu dieser Gruppe), die einfach nicht nichts tun können? Denen es enorm schwer fällt in den Ruhemodus zu kommen und auch von sich selbst sagen, sie können nicht entspannen?

 

Das hört sich zwar im ersten Moment toll an, wenn man gefühlt keine Erholung braucht, mit wenig Schlaf zurecht kommt und so ein richtiges Arbeitstier ist (wird ja auch enorm honoriert und gefeiert von Außenstehenden), jedoch ist das ein erstes und ernstes Anzeichen dafür, dass das Innere Gleichgewicht zwischen Sympathikus und Parasympathikus gestört ist und bedarf besonderer Aufmerksamkeit. 

 

Was aber tun, wenn man wirklich davon überzeugt ist, sich nicht entspannen zu müssen? 

Hier kann die HRV Messung schwarz auf weiß zeigen, wie es um die Aktivität des Nervensystems steht und ob du dauerhaft im Überlebens-Kampf-Modus bist. 

 

Denn Gesundheit, sowie körperliche und mentale Leistungsfähigkeit erfordern ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Belastung und Regeneration. Häufig besteht allerdings genau hier eine Diskrepanz und die Erholung kommt zu kurz. 

 

Gerade Stress ist hier ein gefährlicher Risikofaktor, denn du nimmst ihn manchmal gar nicht direkt wahr. Zum besseren Verständnis möchte ich dir ein Beispiel geben. 

 

Stell dir vor, du stemmst im Fitnessstudio eine Hantel über den Kopf, mit einem Gewicht, dass du sicher bewegen kannst. 

 

Von außen kommen nun pro Seite 5 kg dazu - du merkst schon einen Unterschied und die Bewegung wird etwas schwerer. 

 

Es kommen wieder auf jeder Seite 5 kg hinzu und wieder und wieder. Das Gewicht wird immer schwerer und du kannst dich nicht mehr bewegen, hast Angst unter der Last zusammenzubrechen. Du brauchst Hilfe von außen, um die Hantel mit dem ganzen Gewicht wieder sicher abzulegen, ohne dich ernsthaft zu verletzen. 

 

Vielleicht kannst du es dir schon denken - das Gewicht steht für die Stressoren in deinem Leben. Das gut zu bewegende Gewicht, steht für positiven Stress, der dich stärker macht und weiterbringt, wie zB Sport, ein Projekt auf der Arbeit, eine Weiterbildung usw. 

 

Die Zusatzlasten sind Stessoren, die Dir Energie rauben, wie Geldsorgen, dauerhaft hoher Druck auf der Arbeit, Konflikte in der Familie, Gesundheitsprobleme und ähnliches. Werden diese Stressoren zu viel, kann es sein, dass sie dich irgendwann zu erdrücken drohen und du Hilfe von außen brauchst, um sie zu bewältigen. Halten sie zu lange an, führen sie zu Verletzungen. 

 

Manche Zusatzlasten, die auf deine Hantelstange gesteckt werden, nimmst du vielleicht bewusst gar nicht wahr. Die nörgelnden Kinder, der Haushalt der gemacht werden muss, das kaputte Auto, die Arbeit, die keinen Spaß macht, das ungesunde Essen, die fehlende Bewegung, zu wenig Schlaf, Nährstoffmängel usw. All diese Stressoren haben alleine gesehen nur eine geringe Last, fügen deiner Hantel in Summe aber ein erhebliches Gewicht hinzu. Je nachdem wie voll die Hantel eh schon beladen ist, kann dann sogar eine kleine Meinungsverschiedenheit oder wenn etwas mal nicht so klappt wie es soll, das letzte Zünglein an der Waage sein und du brichst unter der Gesamtlast zusammen.

 

Stress, egal in welcher Form, also physisch oder psychisch, führt zur Dominanz des Sympathikus und gleichzeitig zur Drosselung des Parasympathikus. Hält der Stress zu lange an, kommt es zu den Folgen, die oben schon aufgeführt wurden. Daher ist es eine der wichtigsten Fähigkeiten, vom sympathischen in den parasympathischen Modus umschalten zu können. 

 

Generell sind immer beide Anteile aktiv, sie tanzen miteinander. Allerdings sollte das Verhältnis ungefähr 80 : 20 zu Gunsten des Parasympathikus stehen. 

 

Die HRV Messung ist ein wertvolles Instrument, um Stressbelastungen und fehlende Erholung frühzeitig sichtbar zu machen, noch lange bevor das Gewicht der Stressoren zu schwer wird und das Verhältnis zwischen Belastung und Erholung aus dem Gleichgewicht gerät. Auch für diejenigen, die denken sie müssten sich nie entspannen. 

 

Hrv messung

 

Mittlerweile gibt es schon einige Tools für den Privatgebrauch, sodass du deine HRV sehr einfach selbst im Auge behalten kannst. Viele Apps geben neben der Auswertung auch direkt eine Empfehlung, um die HRV wieder zu  verbessern. Die Messung sollte immer mit Hilfe eines EKG's erfolgen. Bestenfalls misst du mehrere Tage hintereinander und immer zu den gleichen Bedingungen, um aussagekräftige Werte zu erhalten. 

 

Die einfachste und günstigste Möglichkeit eine HRV Messung durchzuführen ist mit Hilfe eines Brustgurtes, der die Herzfrequenz messen und sich per Bluetooth mit einer App verbinden kann. 

 

Es gibt auch schon einige Wearables zB von Garmin, Suunto oder Samsung die eine HRV Messung ermöglichen.

 

Kostspieliger, aber auch mit mehr Messoptionen ist der OURA Ring, der dir auch über eine APP viele Empfehlungen zu Schlaf, Training und deiner individuellen Gesundheit gibt. 

 

Muss nun jeder so eine Messung machen? 

Empfehlen kann ich sie definitiv jedem, der ein stressiges Leben führt und gerne seine Gesundheit im Auge behalten möchte.

 

Vor allem im Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung ist eine HRV Messung eine tolle Gelegenheit Mitarbeiter für das Thema zu sensibilisieren (als ausgebildete Gesundheitsmanagerin biete ich eine HRV Messung für Betriebe in Kombination mit einem Impulsvortrag natürlich auch an). 

 

Auch Menschen, die bereits an oben genannten Beschwerden leiden, profitieren von regelmäßigen Messungen, um ihre Fortschritte sichtbar zu machen. Das motiviert zum dranbleiben und schafft wichtige Erfolgsmomente. 

 

So kannst du deine HRV beeinflusssen

Einflüsse auf die HRV
Einflüsse auf die HRV sind Vielseitig und oft nicht direkt spürbar

 

So ziemlich alles was dich umgibt und beschäftigt, hat einen Einfluss auf dich. Neben den auf dem Bild ersichtlichen Punkten, sind es auch Alter, Geschlecht und ethnische Herkunft, die deine HRV prägen. Daher sind hier auch absolute Normwerte schwer zu treffen. Was allerdings für alle gilt: Du kannst durch dein Verhalten deine HRV trainieren und verbessern. 

 

ATMUNG, BEWEGUNG und SCHLAF sind nur drei von vielen Möglichkeiten, um deine HRV positiv zu beeinflussen. Auch das  Intermittent Living Konzept verbessert deine Anpassungsfähigkeit und die HRV.

 

Im PDF zu diesem Blogbeitrag erkläre ich dir weitere Trainingsmöglichkeiten. Du möchtest das PDF kostenlos zugeschickt bekommen? Dann schreib mir einfach eine E-Mail mit dem Betreff "HRV" an goodlife@chantal-amend.de


Du hast Feedback oder Anmerkungen zu diesem Blogartikel? Ich freue mich auf dein Kommentar! 

Und falls du mit mir gemeinsam an deinem Stresslevel arbeiten willst, um etwas Gewicht von deinen Schultern zu nehmen, dann nimm unverbindlich Kontakt für ein Beratungsgespräch zu mir auf. 

 

Liebste Grüße und bis bald, 

dein Coach Chantal 


Kommentar schreiben

Kommentare: 0